Auszug aus der Rede von Ferry Ahrlé anläßlich der Vorstellung der Werke der wiederentdeckten Künstlerin Katharina Scholz-Wanckel. Der Vortrag wurde an der Universität Zürich am 23. September 2013 gehalten.
Die Suche nach dem bildhaften Ausdruck für die jeweilige Zeit wird immer weitergehen und eine Kunstströmung die andere ablösen. Und wie sieht es heute damit aus?
Ich glaube, wir sind in einer Zeit der Beliebigkeit in der Kunst angekommen. Alles ist Kunst, jeder ist Künstler!
Hören wir doch mal, was berühmte Künstler der Vergangenheit in einem fiktiven Dialog zum Thema Kunst zu sagen hatten:
„Die wahre Kunst ist Unwirklichkeit üben“, stellt Lovis Corinth mit sonorer Stimme fest.
Edouard Manet kontert: „Die Kunst soll die Schrift des Lebens sein.“
Und der expressive Alexej Jawlenski fügt hinzu: „Ein Kunstwerk ist ein Geheimnis, höher
als der Verstand – und ein großer Schreck.“
Da knurrt der alte Menzel: „Die Kunst ist ein durchgehendes Ross.“ „Und keine Bierreise“, ergänzt Jean François Millet und schwenkt vergnügt sein Cognac-Glas.
Willi Baumeister konstruktiv und trocken: „Die Kunst besteht nie in Regeln, sondern immer in Ausnahmen.“
„Und nur durch Kampf erwirbt man etwas“, wirft der feingeistige Ingres ein. „In der Kunst ist der Kampf die Mühe, die man sich gibt.“
Aufgewühlt kratzt sich Vincent van Gogh an seinem roten Bart und verkündet laut: „Die Kunst ist eifersüchtig, sie fordert all unsere Kraft.“
Dagegen rät Caspar David Friedrich mit romantisch verklärter Stimme: „Bewahre einen reinen kindlichen Sinn in dir und folge unbedingt der Stimme deines Inneren, denn sie ist das Göttliche in uns und führt uns nicht in die Irre.“
Henri Matisse wirft lakonisch und etwas gelangweilt ein: „Ich möchte mit meiner Kunst dem übermüdeten und überarbeiteten Menschen Ruhe und Frieden bringen.“
Leise hört man den in Gedanken versunkenen Böcklin sagen: „Die Kunst ist ewig jung, solang noch ein fühlendes Herz schlägt.“
Und Max Liebermann berlinert forsch in die Runde: „Lebendig machen, heißt Kunst machen.“
„Aber Kunststücke können ist keine Kunst“, stellt Emil Nolde energisch fest.
„Kunst ist Vergeistigung“, erklärt ruhig und gelassen Auguste Rodin. „Sie bedeutet die höchste Freude des Geistes, der die Natur durchdringt und in ihr den gleichen Geist ahnt, von dem auch sie beseelt ist. Der Künstler bereichert die Seele der Menschheit.“
Da hört man laut und vernehmlich aus der Tiefe des Raumes die selbstbewusste Stimme von Pablo Picasso: „Und jetzt erwarten Sie sicher von mir, dass ich Ihnen sage: Was ist Kunst? – Wenn ich es wüsste, würde ich es für mich allein behalten.“
Sprach’s und entschwand auf seinem Stier.